Neulich unterhielten wir uns und kamen zu der Aussage, dass zwei grundlegende Arten von Gefühl in uns existieren:
Liebe und Angst.
In zahlreichen Beispielen konnten wir feststellen, dass all das, was wir in unseren Köpfen schönmalen und träumen, aus Ängsten unterschiedlichster Art heraus scheitert und sich an Konjunktivformulierungen festkrallt.
Was aber soll das? Was haben wir denn zu verlieren?
Nichts! Rein gar nichts.
Geben wir uns doch ganz der Liebe hin, vertrauen auf sie und das, was dann zum Ausdruck kommen kann und kommt.
Leute, liebt euch da draußen!
Euch selbst und euer Umfeld.
Seht die vielen kleinen Dinge, an denen wir viel zu schnell vorbeigehen. Die dafür sorgen, dass, wenn man innehält, ein paar kleine Ameisen ausbrechen in uns und wir unmerklich hüpfen müssen.
Dann überwinden wir all unsere Angst und schaffen Platz für Neues.
Alles haben
Angst wird bald alles haben
in Zügen Flugzeugen und Straßencafés
bei Nacht und Tag und
den Stunden dazwischen Angst
wird bald alles haben die Jungen
die Alten die Heißen die Kalten
an meinem Finger der Ring
in der Stimme das Wort: Angst
wird bald alles haben Löwe und Laus
die Bösen die Guten Gesunde
und Kranke Sterben Gebärden
Kinder und Katzen
dumm und schlau arm und reich
Begräbnis und Auferstehen: Die Angst
wird bald alles haben.
Sie sitzt auf der Bank im Park
in der Sonne im Schatten im Kochtopf
organisiert Konferenzen Kongresse
tritt in talk shows auf in den Bergen
im Wasser verwaltet die Akten stempelt
Leben zum Todeszellenpapier drückt auf die Tube
der Arbeitslosen wühlt sich in ihre Bezüge ein
nistet unter Tischen und Stühlen brütet
in Kniekehlen Büchern Gazetten die Angst
wird bald alles haben.
Sie geht nabelfrei narbenfrei geht
nie zu Ende die Angst
wird bald alles haben.
Spiegel Bilder und Spiegelbilder
die Leichen im Keller und die auf den
Feldern Schlachten und Märchen die
Angst wird bald alles haben
Fakten und Silberpfeifen
Farben und Töne die Höhle
in deinem Mund. Sie hat
meine Stimme und deine
die von nebenan sie hat alle
Stimmen in Stadt Land und Fluss
Nichtsnutze und Weise die Angst
wird bald alles haben. Manna
frisst sie und die Wärme der Wörter
das Licht aus den Kronen der Bäume
Unsere Küsse wird sie erzwingen
unsere kleinen Wege ums
Wasser unsere Geschichten und
die der anderen jeden Ball
den wir zu werfen versuchen
fängt sie mit ihren Begräbnisarmen.
Die Angst wird bald alles haben. Auch
den Mut zur Angst vor
der Angst die Angst wird
bald alles haben die Angst
die Segel zu setzen
die Angst wird bald alles haben
auch
unsere Angst vor dem Wind
vor Angst
wird sie bald alles haben die
Angst alles nur
keine Angst
(Gedicht von Ulla Hahn)